Drei Akten bezeugen Kraus’ Kampf gegen die nationalsozialistischen sowie antisemitischen Tendenzen zwischen 1927 und 1929. In diesem Zeitraum ging Kraus sowohl gegen den Volkskampf als auch gegen den Völkischen Beobachter vor. Beide Zeitungen waren nationalsozialistisch ausgerichtet. Meistens bildeten beleidigende Provokationen, die Kraus’ Judentum betrafen, unwahre Behauptungen oder absichtliche Falschzitate die Grundlage für juristische Interventionen. Zwei geforderte Berichtigungen wurden im Volkskampf sogar tatsächlich gebracht und auch bei den zwei Ehrenbeleidigungsklagen wurde Kraus Recht gegeben. Allerdings suchten diese Zeitungen oft Wege, Kraus erneut zu demütigen. Im Falle des Volkskampf, in dem die geforderten Berichtigungen gleichzeitig auch beleidigende Bemerkungen enthielten, unterließ Kraus eine weitere Berichtigung. Er reichte auch nicht die Klage aufgrund eines möglichen Verstoßes gegen das Pressegesetz ein, das eigentlich vorschrieb, geforderte Berichtigungen ohne Zusätze zu drucken. Bei einer anderen Zeitung mit demselben Vorgehen hätte Kraus wohl geklagt. Offenbar entschlossen aber Kraus und seine Anwälte sich dazu, sich diesen Zeitungen dann doch nicht weiter zu widmen.
Akte 189 nach März 1933 dokumentiert schließlich exemplarisch die publizistische Reaktion auf Kraus’ ‚Verstummen‘. Dass Kraus auf die nationalsozialistische Machtergreifung in Deutschland nur mit einem Gedicht und der Grabrede auf Adolf Loos reagierte, verärgerte etliche so sehr, dass im Gegenzug einige Zeitungen Nachrufe auf Karl Kraus drucken ließen. Die Zeitschrift Gegen-Angriff druckte zusätzlich noch das Gedicht „Man frage nicht“ und vergaß dabei, ein Komma zu setzen, weshalb Kraus die Berichtigung forderte. Ehrenbeleidigungsklagen und weitere Berichtigungsforderungen folgten. Der Gegen-Angriff beleidigte daraufhin Kraus weiterhin und zog seinen Kampf ums Komma ins Lächerliche. Während Bertolt Brecht noch sowohl für Kraus’ knapp sieben Monate langes Verstummen als auch für die Publikation der Grabrede und des Gedichts als erste Reaktion auf die Machtergreifung Verständnis hatte, änderte sich seine befürwortende Haltung gänzlich mit der Publikation „Warum die Fackel nicht erscheint“ (1934). Kraus’ darin geäußerte Kritik gegen die Sozialdemokraten sowie die klare Positionierung für das Dollfuß-Regime isolierten ihn schließlich noch mehr als sein Verstummen 1933.
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Karl Kraus: Rechtsakten der Kanzlei Oskar Samek.
Wissenschaftliche Edition
hg. v. Johannes Knüchel und Isabel Langkabel, auf Grundlage der Vorarbeiten Katharina Pragers, unter Mitarbeit von Laura Untner, Andrea Ortner, Ingo Börner und Vanessa Hannesschläger (Wien 2022)
URL: https://www.kraus.wienbibliothek.at/
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